KI oder K.O?
Neue Tools mit künstlicher Intelligenz werden die Fotografie und den Bildermarkt radikal verändern. Eine pessimistische Analyse und ein optimistischer Ausblick.

Das Ende der Fotografie steht vor der Tür, zumindest für einen wesentlichen Teil der fotografischen Bilderstellung. Es wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Auch für uns als Bildagentur wird sich einiges verändern. In einem Gastbeitrag für das „Persönlich“ skizzierten wir, was die neuen Entwicklungen rund um die Bilderstellung mit künstlerischer Intelligenz für die Kreativbranche bedeuten könnte. An dieser Stelle wollen wir fragen, welche Auswirkungen solche von Robotern gefertigten Kreationen auf die Urheberschaft, das Copyright und die Lizenzierung von Bildmaterial haben können. Und wir skizzieren Möglichkeiten und Chancen für die verschiedenen Player. Denn eines scheint sicher und hat die Automatisierung von Arbeit immer wieder gezeigt: Es wird viele Verlierer und wenige Gewinner geben. Darum müssen wir uns diesem Themenkomplex stellen.

Die Wörter KI und Deep Learning sind in aller Munde, Deep Fakes versuchen die Weltgeschichte zu beeinflussen und alle Bereiche des Lebens werden mit diesen Techniken durchdrungen. So auch die Bilderstellung. Wo man bis anhin Bilder fotografieren lassen oder bestehende von Bildagenturen erwerben musste, kann man bald in ein Textfeld einer Applikation seine Bilderwünsche eintippen und wie von Zauberhand entstehen die gewünschten Sujets in erstaunlicher Qualität und hoher kreativer Umsetzungstiefe. Zwei Projekte sind zur Zeit ganz vorne dabei: Googles «Imagen» und das von Elon Musk's Firma «OpenAI» mit dem Namen «Dall-e2» (Zusammengesetzt aus den Worten Salvador «Dali» und dem Müllroboter «Wall-e»)

Gerade für die Werbung wird diese Art der Bilderstellung sehr attraktiv und sicher auch kostensparender ablaufen. Auf der Strecke bleiben FotografInnen und Fotografen, IllustratorInnen und Illustratoren, aber auch Fotomodels, 3D-Artisten, Setbauer, Dekorateure, Foodstylistinnen u.v.a mehr.
Profitieren werden die, welche diese neuen Technologien vermarkten und in ihre Apps einbauen: Adobe, Google, Sony & Co.
Und es werden sich neue Fragen stellen:
Wie sieht die Autorenschaft aus?
Wem gehört das Copyright der Kreationen? Dem, welcher der Maschine das Briefing eintippt oder dem Algorithmus, welcher die Bilder erstellt?
Was passiert, wenn unterschiedliche Anwender zum selben Resultat kommen?
Wie werden solche frankensteinsche Pixelwerke lizenziert? Die grossen Companies werkeln bereits an zukünftigen Modellen. Doch eines ist schon jetzt sicher: durch solche Problematiken wird das Verständnis des Urheberrechts noch weiter erodieren. (bezeichnenderweise haben die Entwickler keine Copyrighthinweise für die hier verwendeten Bildbeispiele vermerkt und auf Anfragen nicht reagiert)

Für die, welche von diesen Techniken bedroht werden stellen sich auch neue Fragen:
Wie kann mein Businessmodell weiterhin noch funktionieren? Die Antwort, die früher für solche Bedrohungen vor Automatisierung genannt wurde, möchte man nicht gerne hören: «Alles das, was eine Maschine nicht tun kann, ist für Menschen eine Chance». Darum müssen wir diese neuen Technologien erforschen und darauf abklopfen, was sie denn nicht kann. Vielleicht gibt es Nischen und Möglichkeiten.

Ausblicke, Chancen und Tasks
Der Fotograf als Realitätslieferant
Es gibt durchaus Geschäftsfelder, in denen Abbildungen der Realität gefragt sind: Der Tatort-oder Portraitfotograf wird nicht aussterben, Auch Hochzeiten wollen real fotografiert und nicht mit Avataren nachgestellt werden.
Der Fotograf als Bildredaktor
Das Berufsbild des Fotografen wird sich also grundlegend ändern. Noch viel stärker als bis anhin wird der Fotograf zum Content-Creator werden. Inhalt und Kreation wird viel wichtiger als das Fotografieren mit Licht und Kamera. So muss er eher als Bildredaktor agieren statt als Pixelingenieur. Und er muss mehr über die Wirkung seiner Werke wissen als über deren technische Realisierung. Die macht die KI.
Die Bildagentur als Wirklichkeitsanbieter
Das Geschäftsmodell von Reuters & Co wird weiterhin funktionieren. Sie werden Verfahren entwickeln und Techniken anwenden, die die Echtheit ihrer Bilder noch mehr bekräftigen. Der Bereich Faktenchecking für visuelle Inhalte wird wichtig werden. Da aber die Medienbranche auch unter Druck steht und für Bilder immer weniger Budget hat, werden nur die ganz grossen Agenturen überleben.
Die Bildagentur als Bildbeschaffer
Das ist das Modell, für das wir uns als Ex-Press entschieden haben: Nicht das Verkaufen von Bildern sondern das Suchen und Beschaffen steht im Zentrum. Und die künstliche Herstellung von Bildmaterial ist schon ein wichtiger Bestandteil unserer Tätigkeit, bis jetzt mit Photoshop und Bildern aus unserem und anderen Archiven. Wir freuen uns aber auf das Arbeiten mit den neuen Techniken.
Google, Dalee2 & Co
Wie auch die Entwickler von Imagen selber zu bedenken geben, basieren die Algorithmen teilweise auf Datensätzen, die nicht kuratiert wurden und problematisches Material beinhalten können deren toxischen Eigenschaften in die neue saubere Pixelwelt zu diffundieren droht. Die Gefahr, dass die Resultate tendenziös, rassistisch oder sexistisch ausfallen, ist nicht zu unterschätzen. Da muss noch richtig nachgebessert werden. Auch müssen den Anwendern eindeutige Lizenzierungsmöglichkeiten angeboten werden. Vielleicht wird zwischen privaten und kommerziellen Nutzungen der Resultate unterschieden. Wünschenswert wäre, wenn diese Techniken der Menschheit geschenkt würde so wie 1839 die Erfindung der Fotografie, als der französische Staat dem Erfinder sein Patent abgekauft und der Allgemeinheit geschenkt hat. Erst so konnte sich diese Erfindung so extrem verbreiten und zu einer eigenen Kulturtechnik mutieren. Träumen kann man ja. Und das wird KI nie können. (zumindest deep dream von google, das ist nur eine optische Spielerei)